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LABEL VIDEOKUNST. KRITISCHE ANMERKUNGEN von Stephanie Lauke

Was ist Videokunst? Eine Zusammensetzung aus den beiden Begriffen Video und Kunst. Beide sind für sich genommen schon Begriffe, die einer eindeutigen Definition entbehren. Gleichzeitig erlebt der Begriff Videokunst in sämtlichen Massenmedien, von Kunstzeitschriften, Feuilletons bis Fernsehmagazinen, schon seit einigen Jahren seinen zweiten Frühling.

Also weiß doch jeder, wovon die Rede ist? Videokunst, klar. Das sind doch – Kunstwerke aus Videos. Weist man dezent darauf hin, dass heute die meisten Künstler mit digitalen Techniken und nicht mehr mit dem ursprünglichen Videoformat arbeiten, wird die Sache schon komplizierter. Statt einer Definition sei deshalb auf drei Versuche, Videokunst zu beschreiben, verwiesen.

Der Filmhistoriker John Belton vergleicht in seinem Essay Looking through Video: The Psychology of Video and Film (1996) die Wahrnehmung von Video mit der des Films und verweist dabei auf die Videokunst. Über diese schreibt er:

„Loosely defined, video art consists of works produced by the manipulation of video as a medium – either trough special video installation pieces, through the experimental play with prerecorded material or with synthesized images, through film-like documentaries, though an artist’s own performances recorded on video, or through the production of original works on video that explore the nature of the medium.“ (Belton 1996, 64)

Belton’s Charakterisierung von Videokunst zeichnet eine spezifisch medienkritische Pragmatik aus. Sein Begriff der Manipulation rekurriert auf die ursprüngliche Verwendung der Videotechnik zur Überwachung und Informationsvergabe, der sich künstlerischen Verfahren in erster Linie laut Belton entzieht.

Die Kuratorin und Kunstwissenschaftlerin Gerda Lampalzer formuliert folgende Hypothesen zur Videokunst: (1) Videokunst ist institutionskritisch, da sie sich dem traditionellen Kunstbetrieb und der Kunstförderung durch fehlendes Original, Reproduzierbarkeit und einer eigenen Preispolitik entzieht. (2) Videokunst agiert im öffentlichen Raum, (3) sie erweitert die Wahrnehmungsstrukturen und (4) ist Teil des postmodernen Diskurses (vgl. Lampalzer 1992, 16). Diese Aspekte beschreiben vor allem die gesellschaftlich-kulturellen Aspekte von Videokunst. Etwas missverständlich kann Lampalzers Verortung der Videokunst im öffentlichen Raum verstanden werden. Darunter ist das Verlassen der musealen Strukturen zu verstehen. Als Alternativen gelten Distributionsformen wie das Fernsehen, Ausstellungen in Galerien und Kunstvereinen sowie Festivals.

Sabine Maria Schmidt, Kuratorin für zeitgenössische Kunst, reagiert mit ihrem Begriff der Videokunst im Band 40 Jahre Videokunst auf zeitgenössische künstlerischer Tendenzen von Video, indem sie darauf hinweist, dass sich Videokunst heute nicht mehr durch ihr Trägermedium, sondern durch ihre Präsentationsformen definiert:

„War auf lange Zeit hin zum Beispiel eine Einordnung nach den Grundkategorien der Projektion als Monitor-, Beamer- oder Kinoprojektion möglich, die Einordnung als Ein-Kanal- oder Multi-Kanal-Installation gültig, so zeigen viele Werke heute Zwitter-oder Doppelexistenzen auf.“ (Schmidt 2006, 35)

Schmidt verzichtet in Bezug auf Videokunst auf einen technologischen Verweis auf das Medium Video. Stattdessen versteht sie die Arbeiten als „künstlerische Ausdrucksvariante neben vielen anderen“ (Schmidt 2006, 36), die sich zu einer „Kunstform des ‚bewegten Bildes’“ (ebd.) zusammenfassen und in die sogenannte Visual Culture eingliedern lässt. Die oben erwähnte Medienkunst bleibt hier unerwähnt. Zu dieser Zuordnung muss allerdings kritisch angemerkt werden, dass insbesondere künstlerische Videoarbeiten nicht nur eine bildliche Gestaltungsebene auszeichnet, sondern in gleichberechtigter Form auch die auditive Ebene.

Obwohl die besprochenen Ansätze von Videokunst in einem Zeitraum von zehn Jahren entstanden sind, weisen sie doch auf ganz unterschiedliche Aspekte hin: Die künstlerische Pragmatik von Videokunst, ihre kulturell-medialen Koordinaten und die äußerst variablen Präsentationsformen. Generell ist festzuhalten, dass der Begriff der Videokunst keiner durchgehend diachronen Bedeutung unterliegt, sondern diversen technologischen, kulturellen und inhaltlichen Modifikationen unterliegt. Im Schreiben über Videokunst müsste also eine genauere Präzisierung erfolgen mit welchem zeitlichen, kulturellen und inhaltlichen Aspekt sich jeweils auseinandergesetzt wird. Insofern schlage ich vor, vom Begriff Videokunst abzusehen zu Gunsten des Terms künstlerische Videoarbeiten. Unter den Ausdruck künstlerische Videoarbeiten sollen solche Arbeiten fallen, die das Medium Video heranziehen, um die Kategorien von Raum und Zeit zu erforschen, um sich mit komplexen Bild-Ton-Konstellation auseinanderzusetzen und die Positionierung des Zuschauens als auch seine Blicklenkung miteinbeziehen. Ich verstehe diesen Begriff nicht technologisch, sondern dispositivisch.

Autorin: Stephanie Lauke

Literaturhinweise—Belton, John (1996): Looking through video: The psychology of video and film. In: Renov, Michael: Resolutions: Contemporary video practices. Minneapolis, Minn (u.a.): University of Minnesota Press, 61-72.—Lampalzer, Gerda (1992): Videokunst. Historischer Überblick und theoretische Zugänge. Wien: Promedia. —Schmidt, Sabine Maria (2006): Am richtigen Ort zur richtigen Zeit? Kurzer Bericht zur aktuellen Videokunst. In: Frieling, Rudolf und Herzogenrath, Wulf (Hg.): 40jahrevideokunst.de. Ostfildern: Hatje Cantz, 34-39.

v @ September 1, 2008

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